Wir appellieren an die Modefirmen

Lassen Sie nicht die Arbeiterinnen und Arbeiter für die Covid-19-Krise bezahlen!

Millionen von Textilarbeiterinnen verlieren weltweit ihre Arbeit und ihr Einkommen - und riskieren Gesundheit und Leben.

Darum geht es

Jahrzehnte ausbeuterischer Arbeitsbedingungen haben die überwiegend weiblichen Beschäftigten in der Textilindustrie in Armut gehalten. Die Fabrikschliessungen und die Gesundheitsrisiken der Pandemie treffen die Arbeiterinnen, die meist ohne jegliche Ersparnisse in prekären Verhältnissen leben, mit voller Härte.

Appell: Was wir von Bekleidungsindustrie und -einzelhändlern fordern

Wir stehen solidarisch an der Seite der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Lieferketten der Bekleidungs- und Schuhindustrie, die besonders hart von der Krise getroffen sind. Gemeinsam mit Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen der Clean Clothes Campaign fordern wir von Kleidungsfirmen und Einzelhändlern in der Österreich und weltweit:

Lassen Sie nicht die Schwächsten in der Lieferkette für die Covid-19-Krise bezahlen!

  • Stornieren Sie keine Aufträge, zahlen Sie Ihre Lieferanten fristgerecht, stimmen Sie Bitten um Fristverlängerung zu und sanktionieren Sie keine Verzögerungen oder Produktionsausfälle.
  • Stellen Sie sicher, dass die Beschäftigten in Ihren Lieferketten nicht entlassen werden, dass ausstehende Löhne sofort bezahlt werden und dass alle Arbeiterinnen und Arbeiter während der gesamten Dauer der Krise weiter ihre gesetzlich vorgeschriebenen Löhne, Leistungen und eventuelle Abfindungszahlungen erhalten.
  • Egal ob in Fabriken, Logistik, Verkauf oder Zustellung: Die Sicherheit der Beschäftigten muss Vorrang haben. Setzen Sie den Betrieb nur fort, wenn Sie die Sicherheit und Gesundheit aller Beschäftigten gewährleisten können und die Empfehlungen der WHO für physischen Abstand, Hygiene und Schutzausrüstung umgesetzt werden.
  • Garantieren Sie, dass Beschäftigte sich ohne Sanktionen isolieren und zu Hause bleiben können, wenn sie oder Personen aus dem gleichen Haushalt zu Risikogruppen gehören oder Covid-19-Symtome haben. Achten Sie das Recht, Arbeit aufgrund von Risiken für Gesundheit und Leben zu verweigern.
  • Stellen Sie sicher, dass die Pandemie nicht als Vorwand für Rechtsverletzungen genommen wird, dass Arbeiterinnen nicht diskriminiert werden und garantieren Sie das Recht auf Kollektivverhandlungen und Gewerkschaftsfreiheit auch in der Krise.
  • Stellen Sie Menschen vor Profite: Zahlen Sie keine Dividenden oder Boni aus, wenn Beschäftigte entlassen werden oder ihre Löhne nicht erhalten.
  • Setzen Sie sich für Rettungspakete ein, die den Schwächsten zugutekommen. Hilfsmassnahmen und Überbrückungskredite müssen bei den Arbeiterinnen und Arbeitern in der gesamten Lieferkette ankommen und darauf abzielen, Beschäftigung und Lohnzahlungen aufrechtzuerhalten und bereits entlassene Arbeiterinnen und Arbeiter wiedereinzustellen.

Leisten Sie zudem Ihren Beitrag für eine gerechtere Modeindustrie nach der Pandemie:

  • Nehmen Sie Ihre Verantwortung zum Schutz von Menschenrechten in Ihren Lieferketten wahr und gestalten Sie Lieferketten nachhaltiger, gerechter und widerstandsfähiger gegenüber Krisen.
  • Sorgen Sie dafür, dass alle Beschäftigte existenzsichernde Löhne, sichere Arbeitsbedingungen und Zugang zu Sozialleistungen haben.

So trifft Covid-19 Arbeiterinnen in der Bekleidungsindustrie

Die Armutslöhne in der globalen Textilindustrie führten schon vor der Krise zu prekären Lebensbedingungen und erlauben keine Rücklagen für Notsituationen. Der Verlust der Arbeit oder ausbleibende Lohnzahlungen bedeuten nun für vielen Menschen unmittelbar Hunger und einen drohenden Verlust des Wohnraums.

Von den weltweiten sozialen und wirtschaftlichen Schockwellen der Covid-19-Pandemie sind die Arbeiterinnen in der globalen Textilindustrie gleich mehrfach betroffen:

  • Mit dem ersten Lockdown in China kam es in vielen Fabriken zu Engpässen bei den Rohstofflieferungen und viele Arbeiterinnen wurden nach Hause geschickt, oft ohne Lohn.
  • Als die Pandemie Europa erreichte, begannen einige Modemarken und Einzelhändler ihre Bestellungen zu stornieren, häufig ohne für bereits produzierte Waren zu bezahlen. Fabriken ohne finanzielle Reserven mussten aufgrund der Auftragsrückgänge schliessen, und weitere Arbeiterinnen verloren ihre Jobs oder wurden vorübergehend ohne Einkommen nach Hause geschickt.
  • Als die Covid-19-Pandemie sich schliesslich auch in den Produktionsländern auszubreiten begann, kam es zur Eindämmung der Pandemie vorübergehend zu Fabrikschliessungen, wobei erneut Arbeiterinnen oft ohne Bezahlung und sichere Transportmöglichkeiten nach Hause geschickt wurden.
  • In Fabriken, die weiterhin produzieren oder nun die Produktion wieder aufnehmen, reichen die Sicherheitsmassnahmen meist nicht aus, und Arbeiterinnen riskieren ihre Gesundheit und schlimmstenfalls ihr Leben.

Jahrzehnte von Ausbeutung und schlechten Arbeitsbedingungen haben die überwiegend weiblichen Beschäftigten in der Bekleidungs- und Schuhindustrie in prekären Verhältnissen und Armut gehalten; die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie treffen sie nun mit voller Härte.

Je schlechter die Arbeitsbedingungen, umso schlechter ist auch meist die Wohnsituation. Wanderarbeiterinnen und -Arbeiter leben z.B. oft auf engstem Raum in Gemeinschaftsunterkünften ohne ausreichende sanitäre Einrichtungen. Frauen sind zusätzlich Mehrfachbelastungen und zusätzlichen Risiken ausgesetzt, da Haushalts- Betreuungs- und Pflegearbeiten in vielen Haushalten auf Frauen abgewälzt werden.

Besonders bedroht sind auch jene, die jetzt für ihre Rechte eintreten oder Kolleginnen und Kollegen unterstützen. Leider werden die Pandemie und mit ihr verbundene Massnahmen als Vorwand missbraucht, um Menschen zu diskriminieren und um gewerkschaftliche Rechte und Freiheiten einzuschränken, indem zum Beispiel z.B. gewerkschaftlich organisierte Arbeiterinnen als erste entlassen werden.

Weitere Hintergründe und Informationen zur aktuellen Situation in verschiedenen Ländern finden Sie im Live-Blog der Clean-Clothes-Campaign .

Warum stehen Markenfirmen und Einzelhändler in der Verantwortung?

Ein massives Machtgefälle prägt die globalen Lieferketten der Modeindustrie: Markenfirmen und grosse Einzelhändler bestimmen, was verkauft und produziert wird, drücken Preise und Lieferzeiten bei ihren Lieferanten, entziehen sich aber zugleich ihrer Verantwortung für die Schattenseiten ihres Geschäftsmodells: Ausbeutung, Armutslöhne, prekäre Arbeitsbedingungen, Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen.

Einige Bekleidungsfirmen zahlen ihre Lieferanten erst drei Monate nach Lieferung der bestellten Waren. Sie nutzen dies nun, um unter dem rechtlich meist nicht haltbaren Vorwand der „höheren Macht“ Bestellungen zu stornieren und sogar die Bezahlung fertiger Aufträge zu verweigern, so dass Fabrikbesitzer auf den Waren und den Kosten für Stoff und Arbeit sitzen bleiben. In Lieferketten, in denen Modefirmen und grosse Einzelhändler das Sagen haben, werden Kosten und Risiken weiter nach unten, auf Lieferanten und Dienstleister und letztendlich auf die Arbeiterinnen und Arbeiter abgewälzt. Die meisten Fabrikbesitzer arbeiten mit geringen Gewinnmargen und verfügen nicht über ausreichende Barreserven oder Zugang zu Krediten, um die Beschäftigten während Fabrikschliessungen oder bei niedriger Auslastung zu bezahlen, und um Phasen heftiger wirtschaftlicher Turbulenzen und Einbrüche zu überleben, wie wir sie aktuell in der Covid-19-Pandemie erleben. Ungeordnete Insolvenzen, Massenentlassungen, Lohnaussetzungen sind die Folge.

Um Kosten zu drücken und Profite zu steigern haben die meisten Markenfirmen und Einzelhändler bewusst ihre Produktion an Standorten konzentriert, wo Armutslöhne, Gewerkschaftsunterdrückung und schlechte Sozialversicherungssysteme vorherrschen. Dies hat ihren Eigentümerfamilien, Aktionären und Managern über Jahrzehnte hinweg riesige Gewinne ermöglicht, während Textilarbeiterinnen und -arbeiter ausgebeutet wurden. Mit Löhnen, die nicht einmal zum Leben reichen, haben sie keine Chance, Rücklagen zu bilden, die die negativen Folgen der Krise wenigstens dämpfen könnten: Der Verlust von Arbeit und Einkommen bedroht unmittelbar die Existenz Millionen in Armut gehaltener Haushalte. Darum fordern wir Markenfirmen und Einzelhändler auf, sich nicht aus ihrer Verantwortung zu stehlen, sondern jetzt die Beschäftigten in ihren Lieferketten vor Arbeitsplatzverlust, Krankheit und Tod zu schützen.

Die Covid-19-Pandemie legt die tiefen Ungerechtigkeiten in der Bekleidungsindustrie offen,

jetzt ist die Zeit für Veränderungen!

Unterzeichnen Sie den Appell an die Modefirmen und setzen Sie sich mit uns für eine gerechte Textilindustrie ein, in der Mensch und Umwelt Vorrang vor Profiten haben.

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