Repression in Bangladesch

Die Repression protestierender Arbeiter*innen in Bangladesch zeigt den mangelnden Respekt der Regierung für Grundfreiheiten.

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Wien, 15.01.2019: Nach der jüngsten Revision der Mindestlöhne im Textilsektor sind in Bangladesch tausende Arbeiter*innen aus Protest auf die Straße gegangen. In der Hauptstadt Dhaka feuerte die Polizei Gummigeschosse und Tränengas in die Menge, worauf ein Arbeiter starb und viele andere verletzt wurden.

„Die Kampagne für Saubere Kleidung verurteilt die gewaltsame Beschneidung des Demonstrationsrechts entschieden. Wir fordern die Regierung auf, die Gewalt und Einschüchterung von Arbeiter*innen und Gewerkschafter*innen einzustellen und die Forderungen der Arbeitnehmer*innen nicht mehr zu missachten“, sagt Ineke Zeldenrust von der Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign).

Angespannte Lage seit 2016

Die neuerlichen Proteste stehen in Bangladesch in einer Reihe mit der ungelösten Ashulia-Krise von 2016 und vor dem Hintergrund einer generell fatalen Lage im Land, was Gewerkschaftsfreiheit anbelangt. 2016 führten Lohnstreiks in der Region Ashulia dazu, dass dutzende Fabriken wochenlang geschlossen wurden; über 1.500 Arbeiter*innen wurden festgenommen, 30 inhaftiert und etwa 50 Gewerkschafter*innen mussten untertauchen. Gegen viele Gewerkschaftsvertreter*innen ist immer noch Anklage erhoben, sodass sie ständig dem Risiko ausgesetzt sind, verhaftet zu werden.

Lohnerhöhung lässt Mehrheit der Arbeiterschaft außen vor

Die Regierung Bangladeschs ignorierte 2016 die Forderungen nach höheren Löhnen. Nun, bei dem langwierigen Prozess zur Überarbeitung der Mindestlöhne Ende 2018 hat sie die Forderung der Arbeiterschaft nach 16.000 Taka (167 Euro) Mindestlohn wiederum ignoriert. Stattdessen steht der neue Mindestlohn für die am niedrigsten qualifizierten Arbeiter*innen in der Textilbranche bei 8.000 Taka, gerade einmal der Hälfte. Für die Mehrheit der Arbeiter*innen erhöht sich der Grundlohn durch die Revision ohnehin kaum. Währenddessen ergreifen die Fabriken Maßnahmen gegen Arbeiter*innen, um die Effekte der Anhebung des Mindestlohns sogar noch zu dämpfen.

Trotz der Angst und Unterdrückung, die die Gewerkschaftsfreiheit in Bangladesch ohnehin schon einschränkt, haben Arbeiter- und Gewerkschaftsvertreter*innen wiederholt ihre Unzufriedenheit mit dem Prozess und dem Ergebnis der Revision der Mindestlöhne öffentlich zum Ausdruck gebracht.

Modemarken verhalten sich still

Während des Revisionsprozesses hat die Kampagne für Saubere Kleidung internationale Marken und Einzelhändler dazu aufgefordert, die Forderungen der Arbeiterschaft nach 16.000 Taka öffentlich zu unterstützen. Einige Modemarken drückten ihre Hoffnung auf einen fairen Prozess aus, bei dem die Stimmen der Arbeiter*innen Gehör findet, nannten aber keine konkrete Summe. Seit der Ankündigung und Umsetzung des neuen Mindestlohns, der weit unter jeglicher Forderungen von Arbeitnehmerseite und Existenzlohn-Berechnungen liegt, haben sie sich jedoch nicht mehr dazu geäußert.

Hintergrund:

Die derzeitigen Demonstrationen finden außerdem in einer Zeit statt, in der die Augen der Welt und der Modeindustrie ohnehin auf Bangladesch gerichtet ist: Bei den Wahlen am 30. Dezember 2018 erlangte die Regierungspartei einen erdrutschartigen Sieg, der durchaus kontrovers gesehen wird und der höchste Gerichtshof entscheidet derzeit über die Zukunft der Aktivitäten im Rahmen des Bangladesch Accord für Brandschutz und Gebäudesicherheit, in dem nebst der Kampagne für Saubere Kleidung und Gewerkschaften auch viele große Modemarken Mitglied sind.

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Auslöser der Proteste

Die neuerlichen Proteste wurden ausgelöst durch Regelungen bei den Lohnrevisionen 2018, die je nach Besoldungsgruppe unterschiedliche Auswirkungen haben. Bei einigen Gehaltsstufen wurde der Grundlohn nicht erhöht, sondern andere Zulagen angepasst. Überstundenzahlungen, Abfindungen und Prämien werden jedoch auf der Grundlage dieses weitgehend unveränderten Grundlohns berechnet, sodass die Leistungen für die Mehrheit der Arbeitnehmer im Bekleidungssektor durch diese Überarbeitung nicht erhöht werden.

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Auch während der neuen Protestwelle gibt es noch unbestätigte Berichte über Einschüchterung von Gewerkschafter*innen und rechtliche Klagen gegen Arbeiter*innen, die sich an den Protesten beteiligen.

Nationales Arbeitsrecht und Gewerkschaftsfreiheit

Obwohl die Regierung Bangladeschs wiederholt international zugesichert hat, die Situation für Gewerkschaften im Land zu verbessern, sind kürzlich Anpassungen des gesetzte wenig auf nationale und internationale Anliegen eingegangen. Die Versammlungsfreiheit bleibt stark eingeschränkt, was die Interessenvertretung der Arbeitnehmer*innen behindert. Etwa die Senkung des Belegschaftsanteils, der zur Gründung einer Gewerkschaft benötigt wird, von 30 auf 20 Prozent verstößt nach wie vor gegen die Kernarbeitsnormen der ILO. Die Registrierung von Gewerkschaften bleibt umständlich und ihre Annahme willkürlich.

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