Keine Deregulierung am Rücken von Menschenrechten und Umwelt

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Offener Brief der Clean Clothes Kampagne an die EU-Kommission

Die Clean Clothes Kampagne (CCK) zeigt sich tief besorgt über die Ankündigung der Europäischen Kommission, kürzlich eingeführte Vorschriften zur unternehmerischen Nachhaltigkeit zu vereinfachen – insbesondere die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). Die CCK appelliert an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und das Kollegium der Kommissar*innen, nicht von bahnbrechenden Gesetzgebungen abzurücken.

Proteste für eine starke CSDDD-Gesetzgebung

In dem von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unterzeichneten Mandatsschreiben wird Justizkommissar McGrath angewiesen, „sicherzustellen, dass bestehende Regelungen zweckmäßig sind und der Fokus auf der Verringerung administrativer Belastungen sowie der Vereinfachung von Gesetzgebung liegt. Sie müssen dazu beitragen, die Berichtspflichten um mindestens 25 % und für KMU um mindestens 35 % zu reduzieren.“ Die starke Gewichtung von Nachhaltigkeitsregelungen folgt auf den Bericht von Mario Draghi zur Wettbewerbsfähigkeit in der Europäischen Union (EU), auf den sich Präsidentin von der Leyen in ihren Anmerkungen bezog.

In seinem Bericht macht Herr Draghi jedoch unter anderem nicht einmal durchgesetzte Vorschriften für das langsame Wachstum der EU-Wirtschaft verantwortlich und erwähnt den Sorgfaltspflichtenrahmen nur am Rande. Seine Kritik erfolgt zudem in einem Umfeld, in dem Unternehmensinvestitionen niedrig geblieben sind, während Unternehmensgewinne weiter steigen und vermehrt an Aktionär*innen ausgeschüttet werden, anstatt in die produktive Kapazität Europas zu fließen. Kurz gesagt, Draghi scheint mit seiner Analyse und der Umsetzung seiner Vorschläge durch die Kommission ein Vorwand zu sein, um Arbeits- und Menschenrechte sowie ökologische Nachhaltigkeit zugunsten von Unternehmensgewinnen zu opfern. Seine Diagnose der Probleme der EU-Wirtschaft mag zutreffen, doch sein Rezept verschreibt die gleiche alte Medizin.

Vereinfachung darf kein Selbstzweck sein

Vereinfachung kann und darf kein Selbstzweck sein – sie muss dem Ziel des Green Deals dienen, eine gerechte, faire und nachhaltige Wirtschaft zu schaffen. Die Verpflichtungen zu unternehmerischer Sorgfaltspflicht und Nachhaltigkeitsberichterstattung bestehen, um die Achtung der Menschenrechte und der Umwelt durch Unternehmen sicherzustellen, was der leitende Grundsatz der Arbeit der Kommissarinnen bleiben sollte. Die Aufmerksamkeit der Kommission sollte sich von der Vereinfachung der Regulierung hin zur Förderung von Investitionen in öffentliche Güter verlagern, darunter soziale Sicherheit und die Transformation der EU-Wirtschaft hin zu einer nachhaltigen Zukunft für Arbeitnehmerinnen und den Planeten.

Doch das ungebremste Streben nach Wettbewerbsfähigkeit, das die neue Governance-Agenda der Kommission für 2024–2029 antreibt, droht einen Wettlauf nach unten bei billigen Arbeitskräften und Materialien zu perpetuieren und die Existenzgrundlagen von Arbeitnehmerinnen in der EU und darüber hinaus zu gefährden. Solange die Gewinnmaximierung über soziale und ökologische Schutzmaßnahmen gestellt wird, wird Wettbewerbsfähigkeit weiterhin nur Kapitalhalterinnen belohnen, während Arbeiterinnen, Verbraucherinnen und unsere Gesellschaften verarmen. Es ist wenig überraschend, aber alarmierend, dass Herr Draghi und die Präsidentin der Kommission Argumente großer Unternehmenslobbys zu wiederholen scheinen.

Überlebensfrage für Arbeite:innen

Für die Arbeiterinnen, die die Kleidung für den EU-Markt herstellen, und ihre Communities ist die Regulierung der Wertschöpfungsketten großer Marken und Hersteller eine Überlebensfrage. Die CSDDD und die CSRD haben das Potenzial, Transparenz, Schutz und Wiedergutmachung für Arbeiter:innen zu schaffen.

Die CCK fordert die Kommission dringend auf, nicht von wegweisenden Gesetzgebungen abzurücken, die weltweit Hoffnung für Arbeiterinnen und ihre Gemeinschaften bieten und deren Umsetzung bereits begonnen hat. Nachhaltigkeitsregeln sind zukunftsweisend und entscheidend, um widerstandsfähige, nachhaltige und faire Wertschöpfungsketten zu gewährleisten – eine Ansicht, die von Expertinnen, der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidigerinnen, UN-Institutionen, EU-Bürgerinnen und Unternehmen gleichermaßen geteilt wird. Die CCK begrüßt, dass die Kommission zügig den öffentlichen Konsultationsprozess zu den Leitlinien der Richtlinie eingeleitet hat, und ermutigt die zuständigen Kommissar:innen, weiter an der Sekundärgesetzgebung zu arbeiten.

Werde aktiv! Die Clean Clothes Kampagne ist unter office@cleanclothes.at und unter www.cleanclothes.at erreichbar.

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